Am Leben vorbei

Es war einmal ein kleines Mädchen, nein, es war noch ein Baby, als der ganze weite Weg seinen Lauf nahm ..

Damals, ganz unbescholten von allem stapfte es lachend in die Arme Ihres neuen Papas. Sie wusste nicht, was auf sie zu kam, dass die Arme ihres Papas gar nicht so stark waren, wie sie wirkten, aber das konnte sie noch gar nicht merken. Sie hatte einen neuen Papa, da der richtige Sie wohl nicht wollte; Sie hatte eine neue Mama, weil Ihre richtige Mama wohl viel zu jung war mit ihren 15 Jahren, ja selber noch ein Kind, zu schwach, um sich zu bemühen. Aber von alledem wusste das kleine Mädchen ja zum Glück nichts. Noch nicht – lange nicht.

Somit begann das übel, indem das Baby frohen Mutes und mit roten Pausbäckchen auf Ihren neuen Papa zustapfte und direkt nach ihm rief. Ja, sie rief „Papa“ und nicht „Mama“... vielleicht sollte das ihr Verderben sein, aber das kleine Mädchen wusste von alledem nichts. Noch nicht – lange nicht.

Das kleine Mädchen verlebte einige Jahre, wurde immer hübsch zurecht gemacht, so wie es sich für ein hübsches Mädchen schickt und wurde überall vorgezeigt und war der neue Stolz der Familie. Es lebte dort mit Ihrem neuen Papa und der neuen Mama und hatte das Vergnügen, mit Hunden und Katzen zu spielen, denn sie hatten auch hier ihr Zuhause. Ein besseres zu Hause. Aber davon wusste das kleine Mädchen ja zum Glück nichts. Noch nichts – lange nicht.

Das kleine Mädchen ging in den Kindergarten, ging in die Grundschule und bekam langsam zu spüren, dass sie dressiert wurde. Von ihrer Mama. Ihr Papa war ja nie da.  Und wenn er da war, war er zu schwach, um dem kleinen Mädchen zu helfen. Ihre Mama wollte ein perfektes kleines Mädchen aus ihr machen, fleißig sollte sie sein, immer gute Noten in der Schule haben, einen guten Beruf erlernen. Alles das, was man sich wohl wünscht für seine Tochter.

Das kleine Mädchen war auch fleißig, sie ging brav in die Schule, machte brav ihre Hausaufgaben und ging einkaufen für ihre Mama, erledigte alle Dinge, die ihr aufgetragen wurden. Wie es sich gehörte.

Denn das wusste das kleine Mädchen jetzt: was sich gehörte; zu gehorchen, wenn die Mama mit einem Stock hinter ihr stand um ihr auf die Finger zu schlagen, wenn sie sich bei den Hausaufgaben verschrieb oder ein Eselsohr in ihren Schulheften war. Sie wusste, dass es sich gehört, jeden morgen und jeden Mittag die Schultasche kontrollieren zu lassen – nur warum, dass wusste das kleine Mädchen nicht. Sie wusste, dass es sich gehört, nach der Schule sofort nach Hause zu kommen und auch für den Rest des Tages dort zu bleiben, denn ihre Mama sagte ihr, dass die anderen Kinder mir ihr sowieso nicht spielen wollen. Heimlich saß das kleine Mädchen auf ihrer Heizung, einem dicken Nachtspeicherofen, in ihrem Zimmer und beobachtete bei strahlendem Sonnenschein die Kinder durch ihr Fenster, wie sie fröhlich spielten und lachten. Das kleine Mädchen wusste ja, dass sie keine Freunde haben würde, dass sowieso niemand sie mögen würde, denn dass hatte ihre Mama ihr ja gesagt.

Manchmal, wenn sie dort saß, dann kullerten ihr ein paar Tränen das zarte Gesichtchen hinunter, aber eigentlich wusste sie nicht warum, sie konnte ja noch nichts vermissen, denn sie wusste ja auch noch wie schön es ist, Freunde zu haben und ausgelassen zu sein. Noch nicht – lange nicht.

So vergingen die Jahre, die Maßregelungen in ihrem kleinen Gefängnis wurden immer strenger und härter: kam sie fünf Minuten zu spät von der Schule, dann setzten Schläge ein, hatte sie keinen Hunger und mochte das essen nicht, wurde sie zum essen gezwungen. Hatte sie dann mal eine Freundin, wurde sie vergrault, Schauermärchen  erzählt oder die Eltern der Freundin angerufen und Schauermärchen erzählt. So war das kleine Mädchen bald wieder alleine und saß auf Ihrer Heizung.

Im Winter war wohl die Heizung das einzige, was ihr Wärme in ihrem tristen Leben gab. Aber das kleine Mädchen wusste ja gar nicht, dass es andere Wärme gibt, als die der Heizung. Noch nicht – lange nicht.

Das kleine Mädchen konnte nicht einmal um Liebe oder Wärme kämpfen, denn sie kannte so was nicht, sie wusste nicht was ihr fehlte. Und wo die starken Arme ihres Papas waren, dass wusste sie auch nicht. Der war ja nie da, immer arbeiten.

Das kleine Mädchen besuchte dann das Gymnasium, das war aber alles wie ein Film, der einfach nur an ihr vorbeilief, denn davon bekam sie nicht viel mit. Sie lebte irgendwie nur für die Pünktlichkeit, nach der Schule zu Hause zu sein, aus Angst vor Schlägen, für Ihre Mama die Dienerin zu sein. Alles andere war nicht wichtig.

Das kleine Mädchen wusste ja gar nicht, was das alles für Auswirkungen haben könnte. Sie war noch sehr klein, hatte aber schon eine Seele nahezu aus Stahl. Sie weinte nicht mal mehr, wenn sie wieder zuschlug, sie ließ es einfach über sich ergehen. Schreie und Versuche, sich zu wehren, zögerten ihre Schmerzen ja doch nur heraus. Sie begriff schnell, lieber Ihren Mund zu halte, wenn sie wieder zuschlug. Im Gegenzug dazu rebellierte sie so gut es ging in der Schule, vielleicht eine Arte Hilferuf von Ihr.

Aber das kleine Mädchen konnte nicht überzeugen, hatte so was ja nicht gelernt und wurde so nur unbeliebter bei den Lehrern und Mitschülern. Keiner erhörte Ihre Hilferufe. Nicht mal ihre aufgeritzten Arme hat jemand gesehen oder bewusst wahrgenommen. Sie wollte sich sicher spüren, denn sonst spürte sie ja nichts mehr. So kratze Sie Ihre Arme und Beine auf, in er Hoffnung, jemand könnte das sehen. Aber leider sah das niemand.

Dann begriff sie langsam, was ihre Mama dazu brachte, so aggressiv zu sein. Sie begriff, dass das irgendwas mit der Flasche Korn zu tun haben muss, der schon morgens anstelle von Frühstück auf dem Tisch stand. Das kleine Mädchen versuchte mit allen Mitteln, sich dagegen zu wehren. Nicht mehr nur gegen ihre Mama sondern auch gegen des Alkohol. Aber gegen ihre Mama, die auch ziemlich schwergewichtig war, konnte sie sich nicht wehren. Also schüttete das kleine Mädchen den Alkohol zur Hälfte aus und füllte die Flasche mit Wasser auf. Aber nichts konnte sie retten vor den Schlägen. Jeden Tag. Schläge regierten ihr Leben. Keine Liebe, keine lieben Worte, gar nichts. Nur Schläge, Verbote. Kein Lachen durfte dem kleinen Mädchen über die Lippen kommen.

Das Leben nahm seinen Lauf, es gab keine Veränderungen, es wurde nur extremer. Das kleine Mädchen hielt es nicht aus, sie verstand immer mehr, dass irgendetwas nicht stimmen konnte und versuchte sich zu wehren. Sie sprach in der Familie aus, dass ihre Mama trinkt – und bekam für diese bösartige Aussage wieder Schläge. Sie versuchte, so laut zu schreien, wie sie konnte, wenn sie wieder zuschlug, in der Hoffnung, jemand würde sie nicht nur erhören, sondern auch eingreifen.

Aber das kleine Mädchen musste spüren, dass man in so einer Situation immer verlassen sein wird. Jahre vergingen und nichts nennenswertes passierte im Leben des kleinen Mädchens. Es war ja kein richtiges Leben. Aber das wusste sie ja nicht. Noch nicht – lange nicht.

Jahre vergingen, sie hielt ihr Schicksal durch, sie wusste ja nichts von alledem, dass das alles nicht recht ist. Sie hörte immer nur, dass sie selber so schlecht sei und selber schuld. Als das kleine Mädchen dann an Größe und Alter gewonnen hatte und das elterliche Haus in der Hoffnung auf Besserung verlies, mit jüngstem Wissen, sie wäre adoptiert, begann das im Herzen immer noch kleine Mädchen zu leben, naiv und dumm ging es durch die Welt.

Die Hoffnung auf Besserung verlies sie bald, denn Ihre Mama wollte sich keine fehler eingestehen. Sie lebte, einfach geradeaus und in den Tag hinein, stolperte hier und da über große Steine, nahezu regelrechte Hürden galt es zu überwinden. Ohne ihre Eltern.

Der Kampf des Lebens begann. Das kleine große Mädchen musste nahezu alle Erfahrungen nachholen und hat bis heute immer och nicht alles nachholen können, wovor sie in ihrer Kindheit eingesperrt wurde. Sie merkte schon bald, dass sie nie gelebt hat, dass das Leben an ihr vorbeigegangen war.

So viele kleine Dinge wie Liebe, Geborgenheit und Wärme hat sie nie erfahren dürfen. Sie kannte keine Kraft und keine Stolz, Sie wusste nicht, dass Sie Grenzen hat. Sie wusste nicht, wie wichtig echte Freunde sind und musste auch hier schmerzlichst Erfahrungen machen. Sie war froh, Menschen zu finden, die sich interessierten für Sie, aber war zu blind, zu erkennen, dass nicht alle ihr gutes wollten.

Sie wusste nicht, was Lieben heißt und verteilte eher Hiebe als Liebe. Mehr und mehr wusste und lernte sie. Nicht alles aber viel.

Aber eines wusste sie schon, dass sie noch einen verdammt langen Weg zu gehen hat, um Ihre Seele wiederzubeleben, um sich spüren zu lernen, um einfach zu Leben und zufrieden zu werden.

Heute weiß die junge Frau, dass sie den richtigen aber weitesten Weg gewählt hat, dass sie diesen alleine gehen muß, aber dass sie auch hin und wieder ein Stück begeleitet wird, dass sie nicht wirklich was falsch gemacht hat in ihrem kindlichen dasein, dass sie Ihre Mama nicht Mama nennen kann, nach allem, was sie ihr angetan hat, sie auch nie wieder sehen will in ihrem Leben und ihren Papa trotz seiner Schwäche vermisst.

Sie hofft aber auch, dass sie irgendwann mit ihren Rissen in der Seele so gut leben kann, dass sie damit umgehen kann, dass sie Ihre viele Liebe, die in Ihrem Herzen wartet richtig verteilen kann und in der Seele wieder einigermaßen unbekümmert sein wird, sie am Leben teilnimmt und nicht wie damals an Ihrem Leben vorbeigelaufen ist , als sie zum ersten mal ihrem Papa in die Arme lief...

*danke fürs lesen "meiner" Geschichte*

(eingeschickt von "SunShine", danke!)

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